Das Ende der Isolation oder das Vertrauen in zeitgenössische Stile    
     
Oft wird eine Insel von Menschen, die nicht dorther stammen, als ein Raum voller Begrenzungen wahrgenommen, auch als eine Art locus amoenus, in dem die großen durch historische Konflikte verursachten Wechselfälle und rasanten sozialen Umbrüche sich nur verspätet und schwach bemerkbar machen. Dieses Bild der Geschichte und der Gesellschaft der Balearen wird üblicherweise von denjenigen überliefert, die die Inselgruppe nur flüchtig gestreift oder sie mit dem Blick eines dahineilenden Touristen wahrgenommen haben. Bei genauerer Betrachtung entzieht sich die historische Realität jedoch solchen stereotypen Klischees. Man mag in dem Verhältnis der einzelnen Balearen-Inseln zueinander von Isolation sprechen, doch erweist sich diese Vorstellung als verfehlt und widerlegbar, sobald man die Beziehung der Balearen zum Festland in Augenschein nimmt. "Das Meer schafft Löcher und schließt sie wieder", heißt es im Volksmund, doch es verbindet auch. Und während vieler Jahrhunderte waren die Wege des Mittelmeerraums weit und mühelos. Es ist allerdings auch wahr, dass sie zu gewissen Zeiten ziemlich unsicher waren.

Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Balearen auf dem Gebiet der Bildenden Künste lange Zeit unter dieser offenkundigen Isolation litten. Diese erstreckte sich von der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts bis in die Siebziger Jahre. Zwischen dem Aufblühen einer späten, im Impressionismus verwurzelten Malerei - begünstigt durch den großen Einfluss, den Rusiñol ab dem Jahr 1901 auf Mallorca ausübte - bis zum sogenannten Postimpressionismus, der während der langen Nachkriegszeit auf lokaler Ebene vorherrschend war, befreiten sich nur wenige Figuren von den Beschränkungen und der Hörigkeit, die ihnen ihr künstlerisches Umfeld auferlegte. Unter anderen könnte man dafür Gelabert, Cittadini, Fuster i Valente, Juli Ramis, die Tago-Gruppe und Brunet als Beispiele nennen.

Erst in den Siebzigern kündigte sich das Ende der Isolation an - verstanden als ein Ergebnis des wachsenden Kontakts zu den zeitgenössischen internationalen Kunststilen, die für das eigene Werk genutzt und sich angeeignet wurden -, als eine schon recht großen Gruppe von bildenden Künstlern auf den Balearen zu einer neuen Identität und Orientierung fand. Einer der Ersten war der aus Ibiza stammende Tur Costa (1927), der von den Werken zeitgenössischer auf der Balearen-Insel lebenden Malern inspiriert wurde. Die Jüngeren, von denen die meisten um das Jahr 1950 herum geboren wurden, erhielten ihre Ausbildung außerhalb ihrer Heimatinseln. Viele von ihnen studierten an der Kunsthochschule in Barcelona, sie besuchten die europäischen Museen für zeitgenössische Kunst und wurden Zeugen bahnbrechender Ausstellungen, was um 1970 herum auch in Palma und auf Ibiza immer häufiger möglich war. Und sie lasen und diskutierten über ihre künstlerische Arbeit. Gegen Mitte der Siebziger Jahre war das künstlerische "Ende der Isolation" (Desaïllament) vollzogen und hatte, auch wenn diese neue Kunstrichtung auf dem Kunstmarkt noch keine Chance gegen die süßliche, triviale Landschaftsmalerei hatte, sich als Kunstform etabliert: Der neue Stil war ein Synonym für Kreativität, Moderne. Er stand für die Gegenwart, die eine große Zukunft hatte. Und so sollte es dann auch kommen.

Seit Mitte der Siebziger bis hin in die Gegenwart erleben die Bildenden Künste der Balearen ihr Goldenes Zeitalter. Niemals zuvor gab es so viele Maler von Rang. Und sie sind zugleich alle ganz verschieden. Im Ganzen gesehen hat man auf den Balearen die Möglichkeit, ein breites Spektrum der internationalen Kunststile der letzten 25 Jahre zu erleben. Und schließlich noch eine bemerkenswerte Tatsache: Viele dieser Maler genießen höchstes Prestige sowohl auf den Balearen-Inseln wie auch in Spanien und in verschiedenen Gegenden Europas.

Die von Guillem Frontera als Kurator betreute Ausstellung unter dem Titel "Desaïllaments" (Das Ende der Isolation) stellt eine Gruppe von 16 Malern vor, und sie bietet eine hervorragende Gelegenheit, um aus erster Hand die Werke derjenigen Künstler kennen zu lernen, die vor allem zweierlei verbindet: Sie wurden auf den Balearen geboren und sie alle haben als Pioniere die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt.

Damià Pons i Pons Kultusminister Regierung der Balearen
   

 

Homepage | Zurück|

 

 



Copyright © dieblauebruecke 2002 | Institut Ramon Llull

Design| Marcela Polgar