Die lange Reise von Andreu Terrades    

   
Andreu Terrades mit seiner über 30jährigen Tätigkeit kann als einer der "Veteranen" unter unseren Malern bezeichnet werden. Das Ergebnis seiner langjährigen Aktivität ist ein umfangreiches Werk, das in zahlreichen Ausstellungen gezeigt wurde. Der Maler hat sich immer durch große Zurückhaltung ausgezeichnet und nie die schnelle Berühmtheit, sondern immer mit höchstem Anspruch an sich selbst die Vervollkommnung des eigenen Werks angestrebt. Die eigentlichen Künstler sind diejenigen, die es verstehen, auf der Grundlage der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse, der sie umgebenden Objekte und Landschaften eine persönliche Welt zu gestalten, die ihre Träume und den Lauf des Lebens widerspiegelt. Andreu Terrades fand seinen persönlichen Weg zu Beginn der 70er Jahre. Und von diesem Zeitpunkt an hat er diesen Weg verfolgt mit der Sicherheit derjenigen, die Gewissheit haben, dass sie in ihrer eigenen Kreativität den fruchtbarsten Grund für die Formen und Farben finden, mit denen sie die Realität darstellen wollen, die von ihrem suchenden Blick entführt wird.

In einer Zeit, in denen sich die meisten Maler übertrieben ähneln, erscheint uns Terrades als außergewöhnlich einzigartiger Künstler: ein Maler mit ganz besonderer Farbgebung, Werken mit klaren, reinen Tönen und einer Symbolwelt aus Worten und Bildern, die uns ein spielerisches und nostalgisches Bild der Realität vermitteln. Beim Malen spielt der Künstler gleichzeitig und hat Spaß, diese Betonung des Spielerischen geht soweit, dass in den letzten Werken des Malers die Personen um ein Spielbrett herum sitzen und imaginäre Spiele spielen, deren Regeln eine Mischung aus denen des Schachspiels und denen von Kinderspielen sind.

Das gestalterische Werk von Andreu Terrades hat sich immer im Bereich des Gegenständlichen bewegt, gelegentlich mit Anklängen an Comics mit klarer Linienführung und ein andern Mal unter Verwendung von eher naiven Symbolen aus der sogenannten volkstümlichen Malerei. Terrades hat ein Studium an der Kunstakademie abgeschlossen und versteht sich auf den meisterhaften Einsatz verschiedenster Techniken und hat für sich selbst einen Stil gefunden, der sich seiner Ansicht nach der realen Welt am meisten annähert und bei dem er Alltagsgegenstände, Tiere, Seeleute und Soldaten aus der Familienvergangenheit verwendet, volle Kisten und Koffer, bereit zu einer Reise, die uns jenseits der weit entferntesten Orte führt … in die Welt von Terrades. Eine Welt, in der im Laufe der 90er Jahre die Übermittlung einer freundlichen Haltung gegenüber dem Leben zu einer etwas härteren Haltung dem Leben gegenüber geworden ist, was sich sowohl an den Farben als auch an den dargestellten Objekten zeigt. Seine menschlichen Figuren, Körper ohne Glieder, schweben inmitten verschiedener Elemente. Sie sind wahrscheinlich ein Reflex eines Geisteszustands, der einen gewissen Verlust an Lebensfreude widerspiegeln, die vormals das schaffende Ich mit der ihn umgebenden Welt verbunden hat.

Um Andreu Terrades gerecht zu werden, muss man seinen gesamten künstlerischen Werdegang betrachten. In der ehemaligen Bierfabrik haben wir jetzt die Gelegenheit dazu. Der Künstler lädt uns hier ein zu einem Rundgang durch seine Werke, mit dem Bierkrug in der Hand, wie es das von ihm für diese Retrospektive kreierte Logo denken lässt. Ein Rundgang durch die Säle der Kulturbrauerei bietet dem Besucher eine erneute Gelegenheit, den artistischen Wert von Andreu Terrades zu entdecken und für diejenigen Besucher, die den Künstler noch nicht kennen, wird er mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Damià Pons i Pons Minsiter für Erziehung und Kultur der Landesregierung der Balearen

   
DAS ANTHROPOLOGISCHE TERRITORIUM Erzählungen, Codes und Landschaften von Andreu Terrades
   
Andreu Terrades studierte an der Escola d'Arts i Oficis (Kunst- und Handwerksschule) in Palma und danach von 1968 bis 1972 an der Facultat de Belles Arts Sant Jordi (Kunstakademie Sant Jordi) in Barcelona. Bei seiner Zeit an der ersten Akademie war die Tatsache entscheidend, dass er andere Künstler "auf der Suche" kennen lernte wie Bartomeu Cabot, Miquel Àngel Femenies oder Gerard Matas, die in den folgenden Jahren zu Hauptakteuren eines qualitativen Wandels der Kunst auf Mallorca werden sollten. Das Studium in Barcelona war, wie nicht anders möglich, geprägt durch eine Vision, die sich auf die eher spekulativen und innovativen Aspekte der Gegenwartskunst beschränkten. Dabei war A. Terrades am meisten daran gelegen, das Handwerk des Malers und die Regeln dieses Handwerks zu erlernen: die Mischung der Farben, die verschiedenen Texturen, die Aspekte, aus denen sich die Kunstgeschichte zusammensetzt.

   
1995-1998 CIRC FIX, DER ALTE PLATZ, MARILYN    

Die Werke des "Circ Fix" - Galerie Achanti in Palma, Juni 1995 - sind eine Annäherung an die Zirkus-Thematik., jener kleinen Zirkusse, die für sich selbst Werbung machen, wie jene, die das größte Spektakel der Welt anbieten. A. Terrades erinnert sich an den berühmten Stacheldraht-Zirkus, der er in einer Ausstellung von Calder im Whitney-Museum in New York im Jahre 1982 sehen konnte und sich vornahm, eine Bildreihe zu erschaffen, die unausweichlich eine gewisse Traurigkeit und Pathetik ausstrahlt. Er dringt tiefer in die Möglichkeiten zur Veränderung von Personen ein, mit denen ihre Gesichter und Gesichtsausdrücke vereinheitlicht werden. Personen und Objekte zeigen Kompositionen einer instabilen Stabilität und geben vor, ein gewisses statisches Gleichgewicht zu erreichen. Er fährt auf der Linie der Eingliederung aller möglichen gesuchten und gefundenen Objekte fort, die ein wirkliches Gegengewicht zur Fiktion der Malerei darstellen und die das hauptsächliche

Mittel der nächsten Ausstellung in der Galerie Ferran Cano in Palma im Februar des Jahres 1997 darstellen. "Plaça vella" ist der Höhepunkt, den der Künstler aus Interesse am Spiel der Elemente schafft. Die Objekte, die kleinen Objektfragmente, die an den Stränden leben, sind die Hauptdarsteller einiger artikulierter Werke rings um die Vorstellung des Markts der Verzückungen herum, ein Ort, an dem sich auch genau die unwahrscheinlichsten und unnötigsten putrincos befinden.41 Eine ähnliche Patina haben die objets trouvés, die üblicherweise auf diesen Märkten zu finden sind und von denen der Künstler profitiert.

Der Spaziergang an Stränden wie Sa Rápita oder s'Estalella, die Klassifizierung und Auswahl eines enormen Arsenals an Objekten in der Funktion von Farben und Formen sind Teil des unerlässlichen Verarbeitungsprozesses, den der Künstler beim Ausstellungsprojekt durchlebt. Die Werke sind mit einer enormen und lebendigen chromatischen Vielfalt versehen, die auch der neu erschaffenen Landschaft zu eigen ist. Die Verwendung einer einfachen und empirischen Perspektive oder ausgesuchte Sichtweisen sind andere kompositorische Mittel, die dazu eingesetzt werden, um uns mit Glaubhaftigkeit und Kompliziertheit an die taxonomische Planung der Stände und der Rhythmen der Blicke heranzuführen, die zwischen den Verkäufern und den Käufern, den Verkäufern und den Verkäufern und den Käufern und den Käufern entstehen, all definitiv Voyeure dieses natürlichen Schauspiels, das der unruhige Blick des Künstlers aufzufangen weiß. Weil es nicht anders sein konnte, werden der charakteristische Klang und Trubel mittels Linien, Gruppierung oder chaotische Vernebelungen von Buchstaben, die aus den Mündern der Personen kommen oder sie direkt umfangen. A. Terrades entfernt sich von der Schaffung monofokaler Perspektiven und lässt die Personen schwerelos auf der Oberfläche der Leinwand treiben.

Die für die Ausstellung "Et convit a un café, Marilyn" im Café Garito in Palma im März des Jahres 1988 geschaffenen Stücke sind ein paradigmatisches Beispiel des Sinns und des Interesses des Künstlers, seine Arbeit an einem Ort, eine Person oder eine Bestellung anzupassen. A. Terrades wollte immer eine gewisse Kontrolle über das Werk und die Ausstellungen ausüben und beibehalten. Er hat Dinge aus dem einfachen Grundgemacht, weil sie ihn interessierten und ihm gefielen. Und er wollte nie in Räumen und Galerien ausstellen, wo die damit in Verbindung stehenden Personen ihm keine besondere Affinität boten. Die Werke dieser Ausstellung haben mit dem amerikanischen Stil zu tun, der das Café des befreundeten Joan Font prägte und die voll von Bezügen zur kommerziellen Werbung sind. A. Terrades setzt dort kleine Stücke von Kaffeetassen - dem Symbol von El barito und das aus einer Tafel ausgeschnittene Bild der immer verführerischen Marilyn Monroe, Mythos par excellence der Massen und große Freundin des Kaffeetrinkens, begleitet von dem nicht weniger verführerischen Humphrey Bogart und Groucho Marx ein.

   
1999 AGONIDA, EINE METAPHER. LAND UND MITTEL    
Der angedachte Diskurs in den mit der Ausstellung "Agònides" zusammenhängenden Werke in der Galerie Ferrán Cano in Barcelona im Mai des Jahres 1999 reagiert auf eine perfekte Synchronie mit der wichtigsten Problematik, in sich selbst angedacht, der Balearengesellschaft der letzten Jahre. Der Schutz des Landes und der Verbrauch der Energieressourcen sind in der jetzigen Zeit eine Frage, die dem Gros der Bevölkerung der Balearen und der regierenden Klasse beginnt, nach Jahrzehnten des Missbrauchs und politischer Nachsichtigkeit sowie obszöner Wirtschaft Sorgen zu bereiten.

Die Werke fügten sich in die Linie der objektbezogenen Praxis des Autoren ein. Die Personen waren Teil der Charakteristiken des Gemalten und der Ausschnitte für die letzten Ausstellungen mit einigen manchmal zerbrochenen Körpern und unmöglicher Bewegungen und Gesten, als ob sie Puppen wären. In einigen Werken geht der Kopf über den Rahmen hinaus, ein übliches Mittel des Künstlers, um dem Werk Dynamik und objektbezogene Darstellung zu verleihen. Doch der charakteristischste Zug dieser Reihe ist das Fehlen der Malerei und deren Ersatz durch Karten. A. Terrades "malt" klebende Farbpapiere der Karte, was eine intensive Suche nach Farbtönen und codierten Darstellungen des Landes mit Teilen der Städte, von Bergen, des Meeres, von Straßen und dem ganzen dichten Netzt mit Informationscodes.

Es handelt sich um Straßenkarten von Firestone, um Atlanten aus zweiter Hand, englische Karten, von denen jede und jeder eigene Gelb-, Blau- und Grautöne enthält, mit denen der Künstler spielt, auch mit den Verdichtungen und Unterschieden, die zwischen einem Bereich des kontinentalen Europas und einem Teil der Mittelmeerinseln auftreten, um die verschiedenen Bestandteile des Körpers zu unterscheiden. All diese Personen hängen mit Kabeln an verschiedenen Energiequellen. Eine aus den Abfällen der Konsumgesellschaft entstandenen Erfindungen, Mechanismen zur täglichen Verwendung der surrealistischen Ironie, die uns zu den Verwendungen und zum Recycling bringt, mit denen die Mehrheit der heutigen Bevölkerung "am Rande" ihr Auskommen hat. Die Technik der Verwendung von Kartenmaterial bedeutet ein wirksames und polysemisches Werkzeug, das dazu gebraucht wird, alle Arten von in den letzten Jahren geschaffenen Objekten zu übertünchen, die nicht schon Teil des "Agoniden"-Zyklus bildet. Es scheint unausweichlich zu sein, sich an einen wieder entdeckten Künstler der 80er Jahre zu erinnern: Jiri Kolar, dem A. Terrades ein visuelles Buch gewidmet hat: "Mode Kolar-Stile".44 J. Kolar und vorher auch J. Cornell arbeiteten daran, Objekten eine neue Dimension zu geben, indem sie diese mittels mit Bildern und Texten bedrucktem Papier, einem sehr verbreiteten und interessanten Band, umwickelten und mit der Technik der Kollage, die J. Kolar so meisterhaft adaptiert hatte, neu dimensionierten, was A. Terrades mit seiner Vorstellungskraft assimilierte.

Eine der bedeutendsten und am weitesten fortgeführten Einflüsse im Werk von A. Terrades ist die von Öyvind Fahlström, ein zu gleichen Teilen bewunderter und geheimer Künstler skandinavischer Abstammung, der in der amerikanischen und europäischen Szene zwischen den 50er und den 70er Jahren aktiv war.45 O. Fahlstörm ist ein vielseitiger und kritischer Künstler, der seit den 60er Jahren mit seinen vielfältigen Möglichkeiten experimentiert und diese entwickelt, um die Bereicherung des oft einfachen Diskurses des Pop-Art zu erfahren. Der von Ironie und Opportunismus strotzende Erzählsinn, manchmal auch unter Einbeziehung von Sätzen, der einzigen Poetik der Fragmentkollage der Medien, wie auch der dreidimensionale Wille, den die variabel geschnittenen Strukturen seiner Konstruktionen und Bauten erreichen, sind einige der Aspekte, die wir mit dem Werk von A. Terrades vergleichen können.46 A. Terrades hat ein tiefes Gefühl dafür, zu einem so besonderen Land wie einer Insel zu gehören, das ihm alle Sinne bereichert hat und das sich in Aufgabe und Leuchtturm verwandelt hat, am Anfang und am Ende immer damit dem Meer als Horizont.

   

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